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Windenergie im Tatort

Mit der Brechstange

Tim Altegör, 15.06.15
Offshore-Windkraft und Naturschutz – das waren die Themen des Tatorts vom vergangenen Sonntag. Dass die Energiewende im Unterhaltungsfilm angekommen ist, auch mit ihren Konflikten, ist zu begrüßen. Leider ertränkt „Wer Wind erntet, sät Sturm!“ alle Nuancen in Klischees. Dabei hätte die Geschichte durchaus Potenzial gehabt.

Die Energiewende als Thema in Deutschlands beliebtestem Krimi-Format: Sonntagabend um 20:15 Uhr flimmerte auf vielen Fernsehern im Land ein Hochsee-Windpark, von dramatischer Geigenmusik unterlegt. Dazwischen ein Naturschützer im Schnellboot, der im Off drastische Thesen vorträgt: „Schon wenn die Fundamente in den Boden gerammt werden, sterben die Schweinswale. Sie verlieren die Orientierung, stranden, und aus den Ohren quillt Blut“. Wenig später sind Vogelleichen auf einer Windradgondel zu sehen.

Damit ist der erste Konflikt im Bremer Tatort „Wer Wind erntet, sät Sturm!“ bereits überdeutlich angelegt: Es geht um die Frage, wie Tierschutz und Energiewende, also Klimaschutz, miteinander in Einklang gebracht werden können und welche Kompromisse dafür nötig sind.


In der Januar-Ausgabe von neue energie hat unsere Autorin Anne-Katrin Wehrmann ausführlich beschrieben, wie sich Natur- und Klimaschutz auf dem Meer teilweise gegenüber stehen, aber auch ergänzen können. Hier geht's zum Artikel


So geraten zwei Männer aneinander, die früher gemeinsam gegen Castor-Transporte demonstriert haben: Henrik Paulsen sitzt auf besagtem Boot, Lars Overbeck baut heute Windparks, beide wollen mit ihrer Arbeit erklärtermaßen die Welt besser machen. Nicht zuletzt weil ihm die Naturschützer um Paulsen das Leben schwer machen, steckt der mittelständische Projektierer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und droht – das ist der zweite Konflikt – von einem global operierenden Hedgefonds ausgestochen zu werden.

Teils unfreiwillig komisch

Viel Stoff für eine spannende Geschichte also – denn wo Windparks geplant werden, kommt es immer wieder zu Konflikten. Wüste Drohungen, zerstochene Autoreifen, eingeworfene Fensterscheiben, soziale Spannungen - solche unschönen Dinge hat es in Windpark-Kommunen immer mal wieder gegeben: Wenn gegensätzliche Interessen aufeinander prallen, aus unterschiedlichsten wirtschaftlichen oder ideologischen Gründen, dann werden aus guten Nachbarn schnell auch mal Feinde. Drehbuchautoren hätten es da im Grunde einfach, eigentlich müssten sie sich nur im großen Fundus des prallen Lebens bedienen. Und sich dann auf die Zeichnung der filmischen Charaktere konzentrieren. Stattdessen ist dieser Tatort völlig überzeichnet: vom Unternehmer, der in einer Fischhalle einen Scheck über eine Million Euro über den Tisch schiebt um sich ein Öko-Zertifikat zu erkaufen, bis zum Hedgefonds-Manager, der kalt grinsend seine Windpark-Pläne beschreibt: „dagegen sind die Renditen im AKW-Geschäft Peanuts“.

Ein Unterhaltungsfilm muss zuspitzen, sicherlich, aber etwas weniger Klischee und dafür mehr Nuancen hätten dem Ganzen gut getan. Weitere Kostprobe: „Ihr könnt mich vielleicht besiegen, aber brechen könnt ihr mich nicht“, ruft der geschlagene Overbeck seinen Konkurrenten allen Ernstes zum Abschied nach – Pathos pur. Und auch der immer militantere Nachwuchs-Tierschützer wirkt unfreiwillig komisch in seiner ständigen Empörung. Selbst die „hübsche Naturschützerin“ (O-Ton Kommissarin Lürsen), die anfangs noch als seriöse Alternative auftritt, verstrickt sich zunehmend in kruden Deals mit allen Beteiligten. Weil die Filmfiguren in sich nicht stimmig sind, kann es auch nicht gelingen, die Handlungsstränge glaubwürdig miteinander zu verbinden.

Da passt es, dass im letzten Drittel des 90-Minüters noch schnell ein paar Morde geschehen, um dem Ganzen mehr Tempo zu verleihen. Insgesamt müssen sechs Menschen ihr Leben lassen. Hohe Krimikunst ist dies nicht, viel Filmblut schafft noch keine Spannung. Auch wenn sich am Ende die Geschichte noch einmal wendet, der Windpark-Unternehmer moralisch entlastet und seine Gegenspieler belastet werden, verpasst dieser Tatort gleich zwei Chancen: Differenziert über die heiße Debatte zwischen Umwelt- und Klimaschutz aufzuklären - und gut zu unterhalten.

„Wer Wind erntet, sät Sturm!“ ist in der Mediathek der ARD noch bis zum 21. Juni täglich von 20 bis 6 Uhr verfügbar.

 

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