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Story des Monats

Ritt auf der Sonne

Sascha Rentzing, 05.08.14
Ein Startup aus den USA will Straßen mit Solarpaneelen pflastern. Im Internet stößt das Crowdfunding-Projekt auf Begeisterung, Wissenschaftler sind aber eher skeptisch.

Für Scott Brusaw könnte ein Kindheitstraum in Erfüllung gehen. Als kleiner Junge liebte er Carrera-Autos, die mit Strom aus der Fahrbahn um die Wette flitzen. „Ich dachte schon damals daran, einmal richtige elektrische Straßen zu bauen“, sagt Brusaw. Heute ist er seinem Ziel näher als je zuvor: Der Ingenieur aus Sandpoint im US-Bundesstaat Idaho will die Highways der Vereinigten Staaten mit selbst entwickelten Solarmodulen pflastern und so in ein gigantisches Solarkraftwerk verwandeln. „Solar Roadways“ heißt das Konzept, das in den USA derzeit für Furore sorgt. Um Geld für die kommerzielle Produktion des Hightech-Straßenbelags zu sammeln, startete Brusaw im April einen Aufruf auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo. Innerhalb von nur zwei Monaten konnte er von mehr als 40 000 Privatinvestoren 2,2 Millionen Dollar einsammeln. Das ist doppelt so viel wie ursprünglich angestrebt – Solar Roadways ist damit die bisher erfolgreichste Kampagne auf Indiegogo.

Auch die Politik ist von dem Konzept überzeugt. Das US-Verkehrsministerium finanzierte die Entwicklung der etwa einen halben Meter großen Modulprototypen mit insgesamt fast einer Million Dollar. „Wir können alle von dieser öffentlich-privaten Partnerschaft profitieren, denn sie schafft Arbeitsplätze und verringert unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“, sagt US-Senator Mike Crapo aus Idaho. Die erste mit den blau-grün schimmernden Hexagonen gepflasterte Fläche existiert bereits. Zur Demonstration hat Brusaw damit einen kleinen Parkplatz neben seiner Manufaktur in Idaho ausgerüstet. Ein Video auf der Internetseite von Solar Roadways zeigt, dass der Glasbelag selbst einen 1,3 Tonnen schweren Radlader trägt. „Wir nutzen eine Art Panzerglas, das alle Belastungstests mit Bravour bestanden hat“, versichert der Ingenieur.

Sprit im Überfluss

Die eigentliche Hochtechnologie befindet sich jedoch unter dem Glaspanzer: In den etwa zehn Zentimeter dicken Modulen sind neben den Solarzellen auch LED-Leuchten, Heizelemente, Sensoren und Mikroprozessoren untergebracht. Ihr Zusammenspiel verspricht einen beispiellosen Fortschritt in der langen Geschichte des Straßenbaus: Würde man alle Straßen und Parkplätze in den USA mit den Hexagonen ausstatten, könnten die Zellen den dreifachen Strombedarf des Landes decken, rechnet Brusaw vor. Ampeln und Laternen würden ihren Strom aus der Fahrbahn ziehen, jede Parkbucht wäre eine potenzielle Tankstelle, Autos ließen sich künftig sogar während der Fahrt per Induktion mit Strom versorgen. „Kein Fahrzeug müsste mehr Schadstoffe ausstoßen.“

Die eingebauten LEDs hätten wiederum die Aufgabe, den Verkehr  sicherer  zu machen. Sie sollen zusätzlich die Straßen beleuchten und quasi per Befehl aus der Verkehrsleitstelle Warnhinweise oder Tempolimits auf der Fahrbahn einblenden. Das könnte etwa notwendig werden, wenn die berührungssensitive Glasoberfläche Hindernisse wie entwurzelte Bäume oder Gesteinsbrocken registriert oder Tiere die Straße überqueren. Ihre Position würde in Echtzeit an die Leitstelle übermittelt, die Autofahrer sofort mit entsprechenden Hinweisen warnen könnte. „Es gäbe deutlich weniger Unfälle“, so Brusaw.

Um Kabelwirrwarr zu vermeiden, sollen sämtliche Strom- und Kommunikationsleitungen in begehbaren Schächten neben den Solar Roadways geführt werden. Da sie sich nur abschnittsweise durch verriegelbare Bodenklappen betreten ließen, seien die Leitungssysteme vor willkürlicher Zerstörung und Sabotage geschützt. „Die hässlichen Überlandleitungen, die heute vielerorts das Landschaftsbild prägen, bräuchte dann keiner mehr“, verspricht der Entwickler. Im Winter soll die Glasoberfläche zudem mit beheizbaren Elementen auf Temperaturen über null Grad erwärmt werden – Eis- und Schneefahrbahnen, die vor allem im Norden der USA vorkommen, wären damit passé.

Damit Fahrzeuge beim Bremsen auf nasser Fahrbahn nicht ins Rutschen geraten, weise die Oberfläche der Module noppenartige Erhebungen auf. „Durch diese Strukturen gewährleistet unsere Glasoberfläche den gleichen Griff wie Asphalt“, erklärt Brusaw. Gleichzeitig könne so Regenwasser besser abfließen und die Gefahr von Aquaplaning sinke. Um hartnäckigen Schmutz von der Fahrbahn zu entfernen, sehen die Pläne den Einsatz von Kehrmaschinen vor, die regelmäßig über die Highways patrouillieren. Diese Trupps könnten auch Wartungsarbeiten wie den Austausch defekter Hexagone übernehmen. „Dafür wäre es möglich, komplett auf Winterräumdienste zu verzichten“, sagt Brusaw.

Unbezahlbar?

So vielversprechend das Konzept auch klingt, so schwierig dürfte es jedoch auch umzusetzen sein. Das größte Problem sind die hohen Kosten. Brusaw selbst hat noch keine Kalkulation vorgelegt, Kritiker rechnen jedoch mit einem immensen Investitionsbedarf. Allein die Glaspreise würden den Rahmen sprengen, argumentieren sie. Ihre Rechnung: Ein Quadratmeter gehärtetes Glas, wie es Solar Roadways verwendet, kostet derzeit rund 300 Dollar. Das Straßennetz der USA umfasst insgesamt 75 Millionen Quadratmeter. Würde es komplett mit Hexagonen gepflastert, würde das Temperglas mit rund 20 Billionen Dollar zu Buche schlagen, dem Zehnfachen des diesjährigen US-amerikanischen Bundesetats.

Zudem drohen technische Probleme: Tonnenschwere Trucks donnern bei hohen Geschwindigkeiten über die Highways und Unwetter zehren an den Hightech-Modulen. Könnten Solarstraßen diesen Belastungen dauerhaft standhalten? Ihre modulare Struktur stellt eine Schwachstelle dar: Halten ihre Fugen nicht dicht, könnte eindringendes Wasser Kurzschlüsse und Stromausfälle verursachen. Offen ist ebenfalls, wie die Infrastruktur elektrisch versorgt werden soll, wenn Reifenabrieb und verschmutzte Straßen die Stromproduktion behindern oder die Sonne nicht scheint. Wenn Solar Roadways als energieautarkes System angelegt werden soll, wären Speicher nötig, die überschüssigen Solarstrom aufnehmen und bei Bedarf bereitstellen. Sie tauchen in Brusaws Überlegungen aber bisher nicht auf.

Martin Niklas, Geschäftsführer des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien, hat deshalb Zweifel, dass das Konzept wie geplant umgesetzt wird. „Den gewaltigen Belastungen und entsprechenden Anforderungen an Photovoltaik-Materialien als Straßenbelag stehen insbesondere in den USA große verfügbare Flächen für herkömmliche Photovoltaik-Anwendungen gegenüber, sodass eine wirtschaftliche Nutzung in den nächsten 20 Jahren sehr unwahrscheinlich scheint.“

Radwege als Kraftwerk

In Europa befassen sich daher nur wenige Firmen und Institute mit derart visionären Konzepten. Das Projekt „Solaroad“ der Niederländischen Organisation für Naturwissenschaftliche Angewandte Forschung (TNO) beispielsweise geht in die Richtung von Solar Roadways, wobei die Ziele jedoch bescheidener sind: Vorgesehen ist zunächst, Radwege mit einem photoaktiven Belag in Solarkraftwerke umzuwandeln, die Strom für Ampeln und die Straßenbeleuchtung liefern. In Kürze soll laut TNO-Experte Stan Klerks mit dem Bau des Pilotwegs mit 100 Metern Länge in der Provinz Noord-Holland begonnen werden. Speicher, die eine nächtliche Versorgung mit Solarstrom ermöglichten, sind bei dem Projekt zunächst nicht vorgesehen. Auch Kostenschätzungen wollen die Protagonisten derzeit noch nicht kommunizieren. „Wir wollen hier erst einmal grundlegende Erkenntnisse sammeln. Der erste Schritt ist die Integration der Photovoltaik in die Module für die Straße.“

Auch das Konzept der schwedischen Firma Elways ähnelt dem von Solar Roadways. Sie will die Elektromobilität im Land in Gang bringen, indem sie so genannte „Elektrostraßen“ entwirft. Wie bei einer Carrera-Bahn sind in die Fahrbahndecke dieser Straßen Leiterschienen eingelassen, in die an Fahrzeugen montierte Stromabnehmer greifen. Der Strom dient zum Laden der Autobatterie, damit das Fahrzeug auch auf Streckenabschnitten ohne Kontakt zu den Stromschienen fahren kann. Da die Schienen sehr tief in die Straße eingelassen seien, bestehe keine Gefahr für Passanten und Radfahrer, heißt es bei Elways. Im Mai stellte die Schwedische Energieagentur Elways 5,2 Millionen Euro zur Verfügung, um die neue Technologie auf öffentlichen Straßen zu testen.

US-Tüftler Brusaw sieht sein Solar-Roadways-Projekt schon weiter. Die große Unterstützung der Behörden und der Crowd lassen ihn fest an den baldigen Durchbruch seiner Hexagone glauben. Bereits Ende dieses Jahres soll die Technik marktreif sein. Und auch das erste kommerzielle Projekt sei schon fix: In seinem Heimatort in Idaho werde er einen Besucherparkplatz mit dem neuen Straßenbelag pflastern.

 

Dieser Artikel erscheint auch in Ausgabe 08/2014 von neue energie.

Kommentare (4)

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  • 03.09.14 - 21:02, Markus Tewes

    Kleines Rechenbeispiel:

    Ein Autobahnkilometer in Deutschland kostet im Schnitt 10 Mio Euro. (1).
    Hier ist nicht weiter verifiziert, wieviel Spuren die Autobahnen im Schnitt haben aber gehen wir mal vom Maximum von 6 Spuren + Mittelstreifen + 2 Standstreifen aus. Dann ist die Breite 37.5m (2). Das sind dann 37.500 m² Fläche pro km Autobahn. Macht also einen Quadratmeterpreis von rund 10.000.000 / 37.500 m² = 267 €. Das sind beim aktuellen Wechselkurs rund 364 US-$.

    Kostet also der Quadratmeter gehärtetes Spezialglas mit 300 US-$ weniger als der herkömmliche Autobahnquadratmeter in Deutschland. Jetzt ist natürlich die spannende Frage, wie hoch sind die übrigen Baukosten für solar-roadways pro m²? Das kann möglicherweise am ehesten Scott Brusaw beantworten denn er hat ja seinen „backyard“ schon gepflastert.

    Die nächste spannende Frage ist, was kostet der Unterhalt von Solar-Roadways verglichen mit handelsüblichen Straßen? Der alles entscheidende Vorteil von Solar-Roadways dürfte allerdings darin bestehen, daß sie Einnahmen in Form von erzeugtem Strom und im Winter erzeugtem Schmelzwasser generieren. Das tut eine „normale“ Straße in der Regel nicht, es sei denn, sie ist mautpflichtig. So wie ich Scott Brusaw verstanden habe, haben sich Solar-Roadways binnen 20 Jahren vollkommen selbst amortisiert. Verglichen mit modernen Qualitäts-PV-Modulen, die z.T. eine garantierte Haltbarkeitsdauer von bis zu 25 Jahren haben und auch harten Belastungstests standhalten müssen, könnten also auch Solar-Roadways mindestens 20 Jahre halten. Ich vermute, der Austausch einzelner beschädigter Waben ist sogar günstiger als das Flicken eines Schlaglochs.

    Die ersten kommunalen Aufträge in den USA werden darüber Aufschluß geben. Für utopisch halte ich das Projekt also keinesfalls. Und letztendlich gibt es genug andere Erneuerbaren Strom erzeugende Technologien die ebenfalls und auch in den USA auf dem Vormarsch sind. Man wird also nicht jede Straße in den USA umstrukturieren müssen wenn schon ein Drittel reichen würde um den aktuellen Gesamtbedarf an elektrischer Energie zu decken. Jeder m² Solar-Roadway ist aber ein Gewinn für Nachhaltigkeit und Energiewende. Wir dürfen gespannt sein.

    (1) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/257535/umfrage/autobahnen--durchschnittskosten-je-kilometer-bauleistung-in-deutschland/
    (2) http://www.sicherestrassen.de/VKO/Frameaufbau.htm?http://www.sicherestrassen.de/VKO/QuerschnitteZusammengesetzt-agO.htm

  • 20.09.14 - 21:45, Markus Tewes

    weil trotz wiederholter Nachfrage an neueenergie.net mein Name hier nicht erscheint:

    Mein Name ist Markus Tewes und meinen Kommentar meine ich seriös ;-)

  • 22.09.14 - 14:48, Donald Müller-Judex

    Hallo Herr Tewes,

    Ihre Einschätzung ist genau richtig. Eine herkömmliche Straße kostet - eine Solarstraße verdient Geld. Die Doppelnutzung (herkömmlich + energetisch) ist ein großer Vorteil gerade für Länder, die nicht beliebig Landschaften verglasen können oder wollen. In Deutschland z.B. liegen 1,4 Milliarden Quadratmeter horizontaler Fläche ungenutzt in der Sonne. Dieses Potential könnten wir nutzen, dazu Gleisanlagen, Radwege und Parkflächen. Photovoltaik in der Straße hat keinen Einfluss auf das Landschaftsbild wie z.B. Windräder und ermöglicht Kraftwerke in einer Größenordnung, wie sie auf Dächern nicht möglich ist. Ein Kilometer Landstraße mit „Solarbelag“, würde rund 100 Dachinstallationen erübrigen. Das dürfte u.a. für kommunale Strom-Anbieter wie z.B. Energie-Genossenschaften interessant sein.
    Natürlich muss auch diese neue Technologie mit herkömmlichen (z.B. PV auf Dächern) konkurrieren können. So hat auch Herr Niklas Recht. Dennoch bieten die Solarstraßen viele zusätzliche (auch geldwerte) Vorteile, die den Mehraufwand rechtfertigen würden. Die Einsparungen bei Reparaturen und beim Winterdienst sind nur ein Beispiel dafür.
    Solarstraßen könnten auch der Elektromobilität erheblich nützen, wenn man den Strom aus der Straße direkt zum Fahren verwenden würde. Die drei großen Probleme der E-Mobility können entschärft werden: Man bräuchte weniger (teure, schwere) Batterien, die Reichweite wäre erheblich größer und der Autofahrer braucht weder extra Zeit noch Kabel fürs Tanken. Das wäre äußerst komfortabel!
    Alles in Allem sind Solarstraßen eine lohnenswerte Vision und die Initiative von dem Ingenieur aus den USA ein mutiger erster Schritt. Und was passiert in Deutschland?
    Wir wollen Atomkraftwerke abschalten? Wir wollen unabhängig werden von ausländischen Energielieferanten? Wir wollen unsere Landschaft nicht verschandeln? Wir wollen elektrisch Fahren und Heizen? Wir wollen das Land der Denker und (Auto)Lenker bleiben? So what? Let´s go.
    Donald Müller-Judex

  • 17.10.14 - 00:57, Markus Tewes

    Hallo Herr Müller-Judex,

    vielen Dank für Ihren zustimmenden Kommentar. Mir ist es im Grunde egal ob wir 100% Erneuerbaren Strom mit Solarstraßen, PV auf der vorhandenen versiegelten und nicht genutzten Fläche (Dächer, Parkplätze, Carports, etc.), mit Windenergie (am liebsten auch Nutzung von Höhenwind durch Kites) mit modernen Wasserkraftwerken (am liebsten dezentralen Kleinwasserkraftwerken) oder wie auch sonst in Zukunft erzeugen werden. Hauptsache, das geht bald mal etwas schneller denn bei dem gerade (2014) von der NASA gemessenen wärmsten ersten Halbjahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen wird es höchste Zeit. Es geht ja auch darum, den Klimawandel zu begrenzen und das 2° Erderwärmungs-Ziel einzuhalten (mir jedenfalls). Land der Denker finde ich sympathisch, ich denke aber nicht nur in nationalen Kategorien. (Auto)Lenker, da macht uns Elon Musk ja gerade ziemlich was vor ;-) Macht er super!
    Was meinen Sie mit Let's go konkret? Bin einem schönen Jobangebot nicht abgeneigt. Es muss ein mehr an Nachhaltigkeit als an Wachstum orientierter und erfüllender, Sinn stiftender Job mit Erneuerbaren Energien sein. Auf Politik habe ich gerade keine Lust mehr.

    MfG, Markus Tewes

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