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Portrait: Climate-Kic

Geschäftsmodelle aus der grünen Garage

Tim Altegör, 17.07.15
Im europäischen Netzwerk Climate-Kic arbeiten Unternehmensgründer an Klimaschutz-Innovationen mit Marktpotenzial – vom Elektroroller-Verleih bis zu solarbetriebenen Kühlschranken.

Überall auf dem Gelände stehen Elektroautos und E-Bikes, auf den Dächern drehen sich Kleinwindanlagen – der Euref Campus ist eine Art Energie-Vorzeigedorf am südlichen Berliner S-Bahn-Ring. „Klimaziele für 2050 schon erreicht“ prangt Besuchern von einer Mauer entgegen. Einer breiteren Öffentlichkeit ist das Gelände im Stadtteil Schöneberg vor allem aus dem Sonntagsabendprogramm der ARD bekannt: Noch bis Ende des Jahres lädt Günther Jauch seine Talkshowgäste ins hiesige Gasometer.

Daneben hat aber auch eine Reihe von Unternehmen und Instituten seine Zelte auf dem Campus aufgeschlagen. Eines davon ist der deutsche Ableger von Climate-Kic, einem europäischen Fördernetzwerk für Klima-Innovationen. Kic steht für „Knowledge and Innovation Community“ (zu Deutsch: Wissens- und Innovationsgemeinschaft). Als eines von fünf solchen Netzwerken wurde Climate-Kic 2010 von der EU unter dem Schirm des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT) gegründet. Neben dem Hauptquartier in London ist es in neun weiteren europäischen Ländern vertreten.

„Wir gleichen ein Stück weit aus, was der Markt noch nicht abdeckt“, beschreibt Sabine Arras, Kommunikationschefin von Climate-Kic Deutschland, die gemeinsame Aufgabe. Betonung auf „noch nicht“: Das Netzwerk will Klimaschutzideen entwickeln und fördern, die sich am Ende wirtschaftlich behaupten können. „Wir sind dafür da, Lösungen voranzutreiben“, sagt Arras. Climate-Kic ist auf drei verschiedenen Ebenen aktiv, insgesamt 90 Millionen Euro stellt die EU dafür 2015 europaweit zur Verfügung.

Zum einen werden aus diesem Topf grenzüberschreitende Projekte gefördert, an denen arrivierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Die Teilnehmer müssen Partner des Netzwerks sein, in Deutschland trifft das unter anderen auf die Technische Universität Berlin, die Berliner Verkehrsbetriebe oder den Chemiekonzern Bayer zu, mit dem ein großes Projekt zur Weiterverwendung von CO2 als Rohstoff für die Produktion von Materialien läuft. Und das CDP (Carbon Disclosure Project) beispielsweise wird von Climate-Kic dabei unterstützt, ein System für Investoren zu entwickeln, um Divestment aus fossil ausgerichteten Unternehmen zu modellieren.

Beschleunigung für 18 Monate

Der zweite Schwerpunkt richtet sich an Unternehmen, die sich erst noch in der Gründungsphase befinden. Jedes halbe Jahr können sich Start-ups mit einem klimafreundlichen Geschäftsmodell für den „Accelerator“ bewerben, den „Beschleuniger“. Die ausgewählten Gründer werden eineinhalb Jahre lang gefördert, finanziell, aber auch durch Seminare und die Vermittlung von Kontakten. „An den Startups sind wir sehr eng dran, wissen wo sie stehen, vermitteln Kontakte zu Investoren“, sagt Arras. Häufig entstünden auch Kooperationen zwischen verschiedenen Teilnehmern des Programms.

Mehr als drei Millionen Euro sind seit 2012 in die Förderung der deutschen Start-ups geflossen, die laut Climate-Kic wiederum 28 Millionen Euro an externem Kapital eingeworben haben. Einige der Ehemaligen haben es mittlerweile zu bundesweiter Bekanntheit gebracht, wie der Thermostatentwickler Tado. „Aber einige Namen gibt es auch nicht mehr“, sagt Arras. Ein mögliches Scheitern gehört bei Start-ups dazu. Aktuell nehmen 17 junge Unternehmen am Programm teil, das Spektrum ihrer Produkte reicht vom preiswerten Smart Meter bis zum Elektro-Flugzeug. Der Bereich der Energieerzeugung mit Erneuerbaren wird im Fördersystem der EU zwar in erster Linie von einem anderen Kic abgedeckt, InnoEnergy. Die thematischen Übergänge sind allerdings fließend, bei Climate-Kic gibt es auch Kontrollsysteme und Handelsplattformen für Solar- oder Windenergie.

Neun der derzeitigen Teilnehmer sitzen nur wenige Meter entfernt in der „grünen Garage“. Es handelt sich tatsächlich um alte Garagenstellplätze, erbaut schon 1927, die aber passend zu Ort und Thema umgerüstet wurden: Das Gebäude ist gedämmt und wird mit Biogas beheizt, das Dach bedeckt eine Solaranlage. Einige der Zimmer sind an diesem Vormittag unbesetzt, in den meisten wird gearbeitet. Im Workshop-Raum neben der Gemeinschaftsküche läuft gerade eine Präsentation.

Auch in der Parzelle von eMio wird gewerkelt. Die drei Gründer wollen ein Geschäft mit der Vermietung von Elektro-Rollern aufziehen. In der folgenden Woche soll es offiziell losgehen, die Testphase läuft bereits. 150 rote E-Roller sollen im Sommer auf Berliner Straßen unterwegs sein. Wenn dann der Winter kommt, soll es mitsamt der Gefährte weiter nach Italien gehen. „Wir hätten unsere Idee auch ohne Climate-Kic umgesetzt“, sagt Valerian Seither, bei eMio für Marketing und Vertrieb zuständig, „aber wir würden jetzt nicht da stehen, wo wir sind. Das hat uns einen Riesenschub gegeben.“

Auf dem Euref Campus dürften also künftig neben elektrisch betriebenen Autos und Fahrrädern auch E-Roller stehen. Gerade allerdings müssen bei einigen davon noch letzte Bauteile eingesetzt werden. Mit mehreren Computern, fünf Menschen und drei Rollern wird körperlich spürbar, dass es sich tatsächlich um eine Garage handelt, den mythischen Ort für Start-ups schlechthin: Es wird eng im rechteckigen Raum, der per Glastür mit den anderen Jungunternehmern verbunden ist. Nebenan sitzen die Entwickler von Ecoglobe, einem effizienten, weil unterirdischen und dezentralen System zur ökologischen Abwasserreinigung.

Studenten lernen unternehmerisch denken

Der dritte Schwerpunkt der Climate-Kic-Förderung setzt noch früher an, im Bildungsbereich. Neben Seminaren an 20 deutschen Universitäten gibt es unter anderem eine jährliche, fünfwöchige Summer School, an der 2014 knapp 280 Studenten und frisch gekürte Absolventen aller Fachbereiche teilgenommen haben. Sie reisen zu Seminaren an verschiedenen Orten in Europa und entwickeln in Teams erste Konzepte für ein Klima-Geschäftsmodell. „Wir wollen die Teilnehmer zu unternehmerischem Denken im Klimabereich anregen“, fasst Sabine Arras den Grundgedanken zusammen. „Innovationen müssen sich irgendwann auch rechnen, sonst bleiben es nur Ideen.“

Gruppen mit besonders vielversprechenden Konzepten erhalten einen Platz im „Greenhouse“-Programm, einer kleineren Förderung, um diese weiter zu entwickeln. Im Idealfall sollen werdende Klimaschutz-Unternehmer mehrere Stufen des Climate-Kic-Angebots nacheinander durchlaufen. Funktioniert hat das bei Coolar, die im April von der Vorphase ins eigentliche Förderprogramm für Start-ups aufgerückt sind. Coolar entwickelt einen Kühlschrank, der solarbetrieben und damit klimafreundlich und unabhängig vom Stromnetz funktioniert. Darin könnten etwa in Entwicklungsländern Medikamente aufbewahrt werden.

Coolar ist auch deshalb ein Sonderfall, weil mit Julia Römer eine Frau das Startup initiiert hat. „Die Gründerszene ist total männlich, im Klimabereich gilt das noch mehr“, sagt Arras. Laut Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellten Frauen in den vergangenen Jahren lediglich ein Drittel der Gründer im Vollerwerb, 2014 gab es allerdings einen Schub auf 41 Prozent. 70 Prozent der untersuchten Start-ups bieten Dienstleistungen an, während unter den Klima-Gründungen relativ viele Uni-nahe, eher Technologie-orientierte Vertreter zu finden sind. Das könnte ein Grund für die schlechte Gründerinnenquote sein.

Dabei nehmen klimafreundliche Geschäftsideen mittlerweile einen beträchtlichen Anteil unter deutschen Start-ups ein. Das besagt ein anderer Gründungsmonitor, den das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit herausgibt. Er widmet sich ausschließlich der „Green Economy“ und geht von 135000 Firmengründungen mit Klimabezug von 2006 bis 2013 aus, das wären elf Prozent der Gesamtsumme. Als Anlaufstelle für all die grünen Gründer sieht Arras das Innovationsnetzwerk gut aufgestellt. Zwar bieten auch viele Universitäten Fördermittel an, etwa über das bundesweite Exist-Programm. Das sei allerdings weniger wachstumsorientiert und nicht themenspezifisch ausgerichtet, so Arras. „Im Klimabereich kommt man an Climate-Kic eigentlich nicht vorbei.“

Mehr Infos:
www.climate-kic.de

 

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