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Interview

„Das Thema Photovoltaik ist nicht tot!“

Interview: Jörg-Rainer Zimmermann, 11.05.15
Die Finanzaufsicht Bafin hat ihre Bewertung von Genossenschaften revidiert, die zu einem drastischen Gründungsstopp geführt hatte. Thomas Berg vom Genossenschaftsverband räumt Energiegenossenschaften nun wieder gute Chancen ein.

neue energie: Die Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) hatten zuletzt für einen drastischen Rückgang bei Neugründungen von Bürgerenergiegenossenschaften gesorgt. Jetzt hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Regelungen gelockert. Worin bestand das Problem, was hat sich jetzt geändert?

Thomas Berg: Verändert wurde die Auslegung des KAGB durch die Bafin, der Gesetzestext selbst nicht. Vorausgegangen war ein längerer Streit zwischen Genossenschaftsvertretern und der Bafin. Wir kritisierten, dass Genossenschaften dem Grunde nach keine Anlagegesellschaften sind, wie man dies etwa von einer Fondsgesellschaft kennt. Sie haben auch keine Anlagestrategie. Sie haben vielmehr einen Förderauftrag. Auch das Genossenschaftsrecht gibt keine Hinweise darauf, dass wir hier von Anlagegesellschaften sprechen könnten. Die Bafin hat das immer anders gesehen und deshalb an die Genossenschaften eine Reihe von Forderungen gerichtet. So sollten zum Beispiel Beteiligungen ab etwa zehn Prozent bereits für die gesamte Genossenschaft eine nicht operative Tätigkeit darstellen und somit das KAGB Anwendung finden. Wir haben deshalb mit der Politik gesprochen. Letztlich kam dann unter anderem von der übergeordneten Verwaltungsbehörde, dem Bundesfinanzministerium die Direktive, dass die Auslegung des KAGB geändert werden müsse. Man darf sagen, dass es sich um einen Erfolg für das gesamte Genossenschaftswesen handelt.

neue energie: Können Sie das näher erläutern?

Thomas Berg: Die ursprüngliche Auslegung der Bafin hätte eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit bedeutet. Es wäre damit eine Missachtung des Genossenschaftsrechts einhergegangen. Ich gebe mal ein einfaches Beispiel. Nehmen wir mal Weidegenossenschaften, die an Dritte die Bewirtschaftungsrechte vergeben und im Jahr einen Umsatz von 1500 Euro machen – die wären verboten gewesen. Es wäre also völliger Nonsens gewesen, zumal man die Auslegung nur auf das EEG eingeschränkt hatte. Alle anderen Geschäftsbereiche waren ausgeschlossen. Selbst Genossenschaften, die sich an kommunalen Verteilnetzen beteiligen wollten, wären im schlimmsten Fall verboten gewesen. Und wenn sich die Bafin mal nicht sicher war, forderte sie ständig Unterlagen nach. Das ist bis heute nicht alles abgearbeitet oder rückabgewickelt. Das Gesetz hat uns hier beim Verband eineinhalb Jahre beschäftigt.

neue energie: Demnach können sich Genossenschaften jetzt ungehindert an Projekten beteiligen?

Thomas Berg: Das Genossenschaftsrecht hält Beteiligungen an Energieprojekten bis knapp 50 Prozent für unschädlich, die Bafin hatte wie gesagt schon ab zehn Prozent Bedenken. Wenn wir aber erkennen, dass sich eine Genossenschaft gründen möchte, bei der es um ein reines Beteiligungsgeschäft geht, lassen wir das nicht zu. Wir beobachten das streng. Denn dann ist der gegenseitige Förderzweck nicht mehr gegeben. Man schließt sich ja als Genossenschaft zusammen, um sich gegenseitig zu fördern, was man allein nicht kann, vermögen viele umzusetzen. Wir werden also nachhaken, wie es mit dem operativen Teil der Genossenschaft aussieht. Denn ein Problem besteht nach wie vor – wenn das Finanzministerium umdenkt, seine Auslegung zurückzieht, dann könnten wir urplötzlich vor der gleichen Problemlage stehen wie zuvor.

neue energie: Darf man sagen, dass Bürgerenergiegenossenschaften gerettet sind?

Thomas Berg: Wäre das KAGB in der beschriebenen Weise umgesetzt worden, hätte sich sicher neben den Problemen der EEG-Vergütung ein weiterer Rückgang bei den Neugründungen gezeigt. Das hat sich jetzt stabilisiert. Generell lässt sich sagen, dass jetzt das operative Geschäft mehr Bedeutung gewinnt, da die operative Tätigkeit vom KAGB ausgenommen ist. Dabei kann es auch zu solchen Konstellationen kommen, dass drei oder vier Mühlen betrieben werden, die aus verschiedenen Parks stammen. Zudem gibt es jetzt wieder mehr Energiegenossenschaften, die sich mit Blockheizkraftwerken beschäftigen. Und auch mit der Photovoltaik, die keineswegs tot ist. Da wird neben der Direktvermarktung auch das Thema Eigenverbrauch wichtig. Durch eine Besonderheit in der Steuergesetzgebung, die genossenschaftliche Rückvergütung, kann das steuermindernd für das Mitglied wirken. Es gibt also andere Wege neben der direkten Vergütung, die eine Beteiligung wirtschaftlich machen. Sie sind vielleicht nur noch nicht so bekannt.

neue energie: Verzeichnen Sie einen Zuwachs bei den Neugründungen?

Thomas Berg: Durchaus, im ersten Quartal haben wir bereits knapp die Hälfte der gesamten Neugründungen des vergangenen Jahres erreicht. Und das wird nicht das Ende sein. Denn im PV-Bereich kann man durchaus bis zu einer knapp zweistelligen Rendite kommen. Ich habe dazu aktuelle Beispielrechnungen gesehen, was mich selbst erstaunt hat.

neue energie: Sie hatten zu einem früheren Zeitpunkt das nicht selten unprofessionelle Management der Genossenschaften kritisiert. Hat sich an dieser Stelle etwas gebessert?

Thomas Berg: Wir halten vermehrt Schulungen und bieten die Geschäftsbesorgung an. Zudem agieren wir auch als Geschäftsprüfer und leisten insofern Hilfestellungen, damit sich die Genossenschaften selbstständiger organisieren können. Was im Übrigen dazu führen kann, dass Genossenschaften zu Arbeitgebern werden.

Wie Thomas Berg den geplanten Wechsel zu Ausschreibungen bewertet, lesen Sie in der Langfassung des Interviews in der Ausgabe 05/2015 von neue energie. Auch als ePaper erhältlich: Hier finden Sie unsere digitalen Angebote.

 

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