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Erneuerbaren-Ausbau

Boom bei Windkraft an Land – noch

Jörg-Rainer Zimmermann/Sascha Rentzing/Tim Altegör, 28.07.16
Die Windenergie an Land wächst, die bereits beachtlichen Aufstellungszahlen des vergangenen Jahrs werden aktuell übertroffen. Ab 2018 dürfte der Zubau aber deutlich nach unten gehen.

Bis Ende Juni wurden in Deutschland Onshore-Windkraftanlangen mit einer Leistung von insgesamt 1892 Megawatt (MW) netto aufgestellt. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem Plus von 73 Prozent. Allerdings sorge das quartalsweise Absinken der Vergütungssätze dafür, dass der Zubau über das Jahr stetiger erfolge, erklärt Knud Rehfeldt vom Beratungsunternehmen Deutsche Windguard. In den vergangenen Jahren wurden im zweiten Halbjahr teils deutlich gesteigerte Ausbauzahlen verzeichnet.

Rechnet man den Abbau ein, also die Leistung der im ersten Halbjahr ersetzten Anlagen (161 MW), so beträgt der Bruttozubau 2053 MW, wie Deutsche Windguard im Auftrag des Bundesverbands WindEnergie (BWE) und von VDMA Power Systems ermittelt hat. Demnach waren mit Stand zum 30. Juni in ganz Deutschland 26 561 Anlagen installiert, die Gesamtleistung betrug zum Stichtag 43 543 MW. Auch die Prognose bis Jahresende ist vielversprechend. Auf Basis der bereits genehmigten Projekte rechnet man mit einem Gesamtvolumen von bis zu 4400 MW. Das entspräche dem Niveau des Rekordjahrs 2014.

Nach Angaben des BWE liege dies an der gestiegenen Zahl von Flächenausweisungen in den Bundesländern in den letzten Jahren. „Der deutsche Markt konzentriert sich weniger stark auf die Küstenländer, sondern entfaltet sich zunehmend ausgeglichener. Die gute Entwicklung in typischen Binnenländern unterstreicht dies. Die Begrenzung des Ausbaus in Regionen mit Netzengpässen muss deshalb durch die Bundesregierung bereits 2018 einer Evaluation unterzogen werden, um dieses Instrument gegebenenfalls wieder aufzugeben“, erklärt BWE-Präsident Hermann Albers. So lag Baden-Württemberg im Bundesländervergleich auf Rang fünf, gefolgt von Bayern. In Baden-Württemberg sei zu sehen, „dass die beharrliche Arbeit der Landesregierung Früchte trägt“, so Albers. Allerdings zeichnet sich gleichzeitig eine deutliche Verschlechterung der Ausbaubedingungen ab, etwa durch politische Entscheidungen in Bayern oder gerichtliche Entscheidungen in Schleswig-Holstein, das von Niedersachsen beim Zubau an der Spitze abgelöst wurde.

Ausschreibungen bremsen den Ausbau

In Bayern ist im ersten Quartal 2016 kein einziger Antrag auf Genehmigung eines Windrads eingegangen. Diese Auskunft erhielten die Grünen im Landtag auf Anfrage beim Wirtschaftsministerium. Branchenexperten rechnen damit, dass dies auch im Folgequartal der Fall sein wird. Grund für den Stillstand ist das 10-H-Gesetz der bayerischen Staatsregierung, nach dem der Abstand zwischen Windrädern und Siedlungen das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss. Damit ist das Ziel Bayerns, 1000 bis 1500 Windturbinen bis zum Ende der Laufzeit des letzten Atommeilers 2021 zu errichten, außer Reichweite geraten.

Zudem werden sich die im neuen EEG verankerten Ausschreibungen künftig als Bremse auswirken. Für 2017 rechnen die Verbände aufgrund der vorliegenden Genehmigungen noch mit einem ähnlichen Zubau wie in diesem Jahr: Bis Ende Mai war ein Volumen von insgesamt rund 3200 MW genehmigt, laut Albers könnte es noch auf 5000 MW ansteigen. Projekte, die vor Jahresende genehmigt und 2017 oder 2018 errichtet werden, können noch die gesetzlich definierten Vergütungssätze des alten EEG erhalten, allerdings setzt im März 2017 eine im neuen Gesetz beschlossene Sonderdegression ein. Bei den Ausschreibungen ist dann ein jährlicher Windkraftzubau von 2800 MW brutto vorgesehen, ab 2020 steigt der Wert noch leicht auf 2900 MW.

„Wir werden zwar über das Jahr einen deutlich abnehmenden Neubau sehen, das hat aber voraussichtlich kaum Auswirkungen auf das Gesamt-Volumen der Leistung, die 2017 installiert werden wird. Grund dafür ist, dass die sinkenden Vergütungen teilweise durch höhere Erträge der Anlagen kompensiert werden“, sagt Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems. 2018 werde der Zubau jedoch deutlich zurückgehen. „Wir gehen davon aus, dass die allermeisten Ende 2016 genehmigten Projekte im Jahr 2017 realisiert und nicht an Ausschreibungen teilnehmen werden. Somit wird der Zubau 2018 im Wesentlichen aus den Zuschlägen der Ausschreibungen in 2017 realisiert“, erläutert Zelinger.

Die schlechteren Rahmenbedingungen in Deutschland können bestimmte Marktteilnehmer durch die aktuell stabile Lage am Weltmarkt kompensieren. In der Branche geht man davon aus, dass der weltweite Anlagenmarkt in diesem Jahr ein Volumen von rund 55 000 MW erreicht. Dies werde sich vermutlich in den kommenden Jahren fortsetzen – eine Chance für exportorientierte deutsche Unternehmen. Allerdings entsteht derzeit unter anderem in China – einem Markt, der Unternehmen aus Deutschland weitgehend nicht zugänglich ist – harte Konkurrenz, die in wichtigen Absatzmärkten wie Südamerika und Indien aktiv ist. Neben Vestas (Dänemark) und Siemens/Gamesa (Deutschland) kämpft mit Goldwind auch ein chinesischer Anlagenhersteller um die Führerschaft am Weltmarkt. Zelinger und Albers halten daher eine gezielte politische Industriestrategie für nötig, die bislang fehle.

 

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