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Netzsteuerung

Blackout durch intelligente Stromzähler?

Rebecca Raspe – energiezukunft.eu, 30.07.15
Intelligente Messsysteme sollen das Stromsystem flexibel machen. Doch Forscher warnen: Der massenhafte Einsatz von Smart Metern könnte zu Blackouts führen. In einem künstlichen, von Smart Metern gesteuerten Strommarkt bilden sich möglicherweise Blasen.

Wissenschaftler vom Institut für Theoretische Physik der Universität Bremen haben den Markt simuliert, der beim Einsatz großer Mengen an intelligenten Stromzählern entsteht, und festgestellt: Durch die Zähler wird ein neuer, künstlicher Strommarkt geschaffen, der Blasen und sogar Crashs produzieren kann. Die Untersuchungsergebnisse wurden in der Fachzeitung „Physical Review E“ veröffentlicht.

Eigentlich ist es ein technischer Fortschritt: Statt einen Einheitsstrompreis zu bezahlen, der rund um die Uhr gilt, können Haus- und Wohnungsbesitzer Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen oder Geschirrspüler mithilfe intelligenter Zähler heute so programmieren, dass sie stets den preisgünstigsten Strom nutzen. Das intelligente Messsystem weiß, wann viel Strom im Angebot und gleichzeitig die Nachfrage gering ist. Da zu solchen Zeiten Elektrizität preiswert ist, schaltet das schlaue System automatisch Strom verbrauchende Geräte ein.

Voraussetzungen hierfür sind ein intelligenter Stromzähler, der den aktuellen Strompreis übermittelt, und ein entsprechender Tarif, der die Schwankungen im Stromnetz berücksichtigt. Der Nutzer programmiert seine Geräte. Gekoppelt an den intelligenten Stromzähler bekommen sie erst dann ein Startsignal für die Wäsche, wenn eine vorher definierte Preisgrenze unterschritten wurde. Der Einsatz intelligenter Stromzähler soll so gezielt dazu beitragen, Stromschwankungen im Netz zu dämpfen. Denn Elektrizität ist zwar noch nie gleichmäßig ins Netz eingespeist worden. Wind- und Solarenergie führen aber mittlerweile dazu, dass diese Schwankungen im Netz stärker werden.

Chaotisch wie an der Börse

„Die Grundidee dahinter stammt aus der Wirtschaftstheorie, nach der Angebot und Nachfrage den Preis regeln. Und darüber soll dann wiederum die Stromnachfrage angepasst werden: Viel Strom – viele Abnehmer, wenig Strom – wenige Abnehmer“, sagt Professor Stefan Bornholdt vom Institut für Theoretische Physik der Universität Bremen. „Die Standardtheorie von Angebot und Nachfrage ist jedoch unvollständig, wenn eine riesige Zahl Konsumenten gleichzeitig um den günstigsten Preis konkurriert. Denn natürlich wollen alle ihre Wäsche waschen, wenn der Strom am billigsten ist.“ Und genau das, so haben der Bremer Hochschullehrer und seine Mitarbeiter herausgefunden, könnte womöglich nicht klappen. Sie haben die Konkurrenzsituation der Konsumenten im Computer simuliert und herausgefunden, dass es in diesem neu entstehenden Segment des Strommarkts „chaotisch, wild und zappelig“ zugehen kann – ähnlich wie an einer Finanzbörse.

Ein Beispiel: „Wenn wenig Strom im Netz und der Preis daher hoch ist, wird das Waschen einfach verschoben. Aber das geht nicht unendlich lang, weil es sich beim Waschen um ein Grundbedürfnis handelt“, erläutert Stefan Bornholdt. „Je mehr von den Menschen vorprogrammierte Waschmaschinen nun auf ihren Start warten, desto mehr steigert sich die potenzielle Nachfrage: Eine Nachfrage-Blase bildet sich.“ Und die platzt spätestens, sobald der Preis wieder etwas absinkt: Weil viele Konsumenten aufgrund des sich aufstauenden Waschbedürfnisses ihre „Schmerzgrenze“ nach oben angepasst haben, starten plötzlich unzählige Waschmaschinen auf einmal. „Dann wird ein kollektiver Lawinen-Mechanismus ausgelöst, der die Stromnetze extrem belastet – Blackouts wegen unerwarteter Überlastung nicht ausgeschlossen“, erläutert der Bremer Physiker.

Genauere Analyse der Folgen nötig

Die Wissenschaftler halten den massenhaften Einsatz der neuen intelligenten Stromzähler für „einen Schnellschuss, der nicht sorgfältig bis zum Ende durchdacht ist“. Man müsse die Versorger darauf aufmerksam machen, dass sich derartige Szenarien abspielen könnten. „In unserem Computermodell haben wir mit verschiedenen Variablen das nachvollzogen, was reale Menschen in solchen Situationen logischerweise tun würden“, erklärt Bornholdt. Der Einzelne wisse in solch einer Situation natürlich nicht, welche Folgen sein Verhalten habe, wenn es sich potenziere. Und leider wüssten es auch diejenigen noch nicht, die den Strom bereitstellten.

Rebecca Raspe – energiezukunft.eu

 

Kommentare (1)

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  • 07.09.15 - 16:04, Otmar K.

    Für diese simple Erkenntnis braucht man nur gesunden Menschenverstand und keine Wissenschaftler !!
    Außerdem könnte ein "intelligente Stromzähler" nicht einfach nur blind auf den Niedrigpreis reagieren und die Waschmaschine einschalten, sondern zuerst das aktuelle Stromangebot im Netz abfragen und unterhalb eines bestimmten Schwellwerts NICHT einschalten.
    Alternativ könnte jeder Einschaltvorgang (mit Angabe der angeforderten Leistung) vom Stromanbieter freigegeben/abgelehnt werden aufgrund seiner aktuellen Stromeinspeisung.

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