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Interview

„Wir werden auch weiterhin das Bürgervotum ernst nehmen.“

Mitte Januar hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Ausweisung von Windeignungsflächen im südlichen und mittleren Schleswig-Holstein für unwirksam erklärt. Ein Gemeindevotum allein könne kein Ausschlusskriterium mehr sein, so die Richter. Werner Schweizer, Bürgermeister von Klixbüll, hält von dem Urteil wenig.

neue energie: Herr Schweizer, in Ihrem Dorf standen bereits 1995 die ersten Windkraftanlagen. Was halten Sie vom Beschluss des OVG?

Werner Schweizer: Meine erste Reaktion war: wie kann man eine über die Jahre mühsam aufgebaute Akzeptanz so kaputt machen? Ohne Landesplanung hätte es schon in den 90er-Jahren Unfrieden hier im Dorf gegeben, weil dann jeder seine eigene Windenergieanlage aufgestellt hätte. Jetzt haben wir seit dem Urteil im Amt Südtondern schon wieder 40 Bauvoranfragen. In Klixbüll werden wir das ganze Gemeindegebiet mit Flächennutzungsplänen belegen. Wo wir Windenergieanlagen für nicht sinnvoll halten, planen wir Ausschlusskriterien. Wir behalten uns außerdem vor, Baugesuche zurückzustellen und gegebenenfalls eine Veränderungssperre einzuleiten. Aber es gibt auch noch potenzielle Wind-Bebauungsgebiete, zum Beispiel in bereits gewerblich genutzten Bereichen. Damit wären die Einwohner einverstanden, wir werden nämlich auch weiterhin das Bürgervotum ernst nehmen. Um es deutlich zu sagen: Der Zwang zum Handeln liegt jetzt bei den Gemeinden.

neue energie: Könnte es in der Gemeinde nach dem OVG-Urteil Stimmung gegen Windenergie gegeben?

Werner Schweizer: Nein, ich denke nicht. Bei uns stand ja schon Mitte der 90er, gleich nach Tschernobyl, der Umweltgedanke im Vordergrund. Das gemeinsame Lernen ist ein starker Motivator. Wir haben hier im Dorf alle gemeinsam gelernt und lernen müssen. Und man darf nicht vergessen: Gemeinsam Erfolg zu haben, macht Mut. Wir konnten damals unsere 14 Windmühlen aber auch mit zehn Prozent Eigenkapital realisieren. Das würde heute nicht mehr gehen, auch wegen der Risiken durch das EEG. Mit den Bürgern wäre sicherlich noch Bürgerwind möglich. Die Frage ist, ob es heute auch mit allen Landeigentümern noch möglich wäre. Die Macht liegt bei den Landeigentümern. So ist das Urteil aus meiner Sicht eher ein Risiko als eine Chance für den Bürgerfrieden. Frieden im Dorf ist das höchste Gut. Ohne Frieden keine Wertschöpfung.

neue energie: Wie haben Sie als Bürgermeister, wie hat die Gemeinde für Akzeptanz gesorgt?

Werner Schweizer: Windenergie muss für die Gemeinschaft sein. Auch, weil ja alle Einwohner auf die Mühlen gucken und damit leben müssen. Dann müssen sie auch beteiligt werden, egal ob vor oder nach dem OVG-Beschluss. Der damalige Bürgermeister hat es verstanden, die Interessen der Landeigentümer klug zu bündeln. Anfangs, vor 20 Jahren, wollte hier jeder seine eigene Mühle bauen. Doch dann hat sich der Gedanke Raiffeisens durchgesetzt: das Geld des Dorfes dem Dorfe. Die Überzeugungsarbeit war damals echte Schwerstarbeit. Und weil auch die Bürger der Nachbargemeinden von dem Bau der Anlagen betroffen wären, durften sie mit in die Bürgerwindparkgesellschaft. Jetzt, bei den neuen Mühlen, haben wir bereits früh die Einwohner darüber abstimmen lassen, wo die Anlagen stehen könnten. Dann haben wir basisdemokratisch in der Gemeindeversammlung einen Beirat gewählt, der alles andere organisiert hat. Deswegen gab es auch keine Ablehnung.

neue energie: Was sind Ihre zukünftigen Projekte?

Werner Schweizer: Wir stellen uns natürlich auch den systemischen Fragen und übernehmen Systemverantwortung. So wollen wir für eine verlässliche Energieversorgung sorgen, zum Beispiel durch ein Power-to-Gas-Projekt. Für die Speicherung, Stromerzeugung, Wärmeversorgung und Mobilität. Ein Drittel der Gewinne aus den Windparks soll überall in Forschung und Entwicklung fließen, um die Wertschöpfungskette aus unserem Rohstoff Strom heraus zu verlängern. Wir haben hier vielleicht Überschussstrom, aber wir haben keine Überschussenergie. Da müssen wir besser werden. Ideen haben wir genug, wir denken auch über ein Power-to-Heat-Projekt nach.

neue energie: Was wünscht sich ein Bürgermeister von der Landes- und Bundespolitik?

Werner Schweizer:Eins haben Sie vergessen – die Bürger. Von ihnen wünsche ich mir: nutzt Ökostrom. Konkret zur Politik: Ich wünsche mir Ausnahmen von den Durchleitungsgebühren, so dass wir nur die reinen Gestehungskosten hätten. Wenn ich selber Gesetze machen dürfte, würde ich den Bodenschatz Schleswig-Holsteins – den Wind – auch als solchen behandeln. Ich plädiere für Schürfgebühren für Wind. Die Höhe der Schürfrechte legt dann jede Gemeinde fest. Dann hätten wir nur da Windenergie, wo die Gemeinde das auch möchte. Ich bin davon überzeugt, dass viele Gemeinden mitmachen würden. Schließlich schaut niemand geringeres als die ganze Welt auf Deutschland. Wenn Deutschland die Energiewende schafft, schaffen es andere auch. Es ist unsere Pflicht, das zu schaffen und dazu hat Nordfriesland Großes beigetragen. 

 

Zur Person:

Werner Schweizer ist seit 2013 Bürgermeister der 1000-Einwohner-Gemeinde Klixbüll im Kreis Nordfriesland. 185 Gesellschafter betreiben dort 14 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 40 Megawatt. Zusätzlich gibt es noch eine PV-Freiflächenanlage, ein Biogas-Nahwärmenetz und zwei Blockheizkraftwerke. Die Gemeinde versorgt Schule, Kindergarten und Schwimmbad komplett selbst mit Strom und Wärm, bilanziell erzeugt sie 300 Prozent der Energie, die sie verbraucht.

OVG-Urteil:

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat im Dezember 2012 zusätzliche Windeignungsflächen ausgewiesen und diese von 0,8 Prozent auf rund 1,7 Prozent der Landesfläche verdoppelt. Mitte Januar hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig diese Ausweisung im südlichen und mittleren Schleswig-Holstein für unwirksam erklärt. Konkret verhandelten die Richter über elf Streitfälle; in drei Fällen wollten die Kläger Windenergieanlagen verhindern, in den anderen acht forderten die Gemeinden oder die Investoren dagegen zusätzliche Flächen.

Das Gericht bemängelt in seinem Urteil unter anderem, dass Gemeinden sich frei gegen Windeignungsflächen entscheiden könnten. Ein Gemeindevotum allein könne aber kein Ausschlusskriterium für Windenergie sein, so die Richter. Dafür seien harte Tabu-Kriterien und eine transparente Abwägung nötig. Die schleswig-holsteinische Windbranche mahnte nach dem Urteil verlässliche Planungsbedingungen und eine Fortführung der Beteiligung von Gemeinden an. „Wo eine Kommune partout keine Windkraft will, muss diese auch nicht mit der Paragrafen-Brechstange durchgesetzt werden. Die Rücksichtnahme auf die Wünsche der Gemeinden darf kein Planungsfehler sein“, sagte der Landesvorsitzende des Bundesverbands WindEnergie (BWE), Reinhard Christiansen.

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