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Netzausbau

Mehr Bürgerbeteiligung gefordert

Tim Altegör, 06.12.13
Maßnahmen für mehr Akzeptanz bei den Bürgern stehen im Zentrum der zweiten Handlungsempfehlung zum Netzausbau, die jetzt unter Federführung der Deutschen Umwelthilfe veröffentlicht wurde. Drei Jahre nach dem „Plan N“ einigen sich knapp 60 Organisationen und Unternehmen auf ein entsprechendes Papier. Der Modelversuch von Netzbetreiber Tennet, Anwohner mit einer Geldanleihe für die geplante Westküstenleitung zu begeistern, ist derweil gescheitert: Nach Warnungen von Verbraucherschützern bleibt die Nachfrage weit hinter den Erwartungen zurück.

Das „Forum Netzintegration“ der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat zum zweiten Mal nach 2010 ein Konzept vorgelegt, das die Planung beim nötigen Ausbau der Stromnetze verbessern soll. Seitdem ist im deutschen Energiesektor einiges passiert – nicht zuletzt nahm die schwarz-gelbe Bundesregierung unter dem Eindruck der Kernschmelze in Fukushima die eigene Laufzeitverlängerung für Atommeiler wieder zurück.  Auch die Debatte um den Ausbaubedarf der Netze ist neu entbrannt: Bürger protestieren gegen geplante Trassen, Industrievertreter warnen, der Zubau der Erneuerbaren Energien müsse sich an dem der Netze orientieren.

Der nun veröffentlichte „Plan N 2.0“ ist ein Kompromissvorschlag verschiedenster Akteure, von Übertragungsnetzbetreibern, über Umweltschutzverbände, bis hin zu Bürgerinitiativen gegen geplante Trassen. Das Forum wird vom Bundesumweltministerium gefördert, insgesamt gibt es fast 60 Beteiligte. Sie alle eint das erklärte Ziel „die wichtigsten Konflikte und Hemmnisse im Rahmen der Transformation der Stromnetzinfrastruktur zu überwinden, wenigstens jedoch zu entschärfen“, auch wenn es  „erheblich widerstreitende Interessen“ gebe.

Konsens für mehr Mitbestimmung

Gerade bei den Themen Bürgerbeteiligung und Konfliktvermeidung wartet das Konzept mit einem ganzen Bündel von Verbesserungsvorschlägen auf. So sollen die Betroffenen bereits in der frühen Planungsphase des Szenariorahmens einbezogen werden, also nicht erst bei der konkreten Streckenführung, sondern bereits bei der Bedarfsplanung mitreden. Neben formal vorgeschriebener Beteiligung brauche es zusätzlich einen informellen Austausch zwischen Verantwortlichen und Bürgern über den gesamten Planungsprozess hinweg. Zudem werden teilweise längere Zeiträume von bis zu zwei Jahren angemahnt.

Diesen Aspekt betont die beteiligte Umweltschutzorganisation Germanwatch auch in einem eigenen Papier, das die Bürgerbeteiligung in der Stromnetzdebatte verbessern helfen soll. „Sechs Monate Bürgerbeteiligung bei Leitungen von 500 Kilometern Länge lassen keine ernsthafte Beteiligung zu", so Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Am Ende könnte dies zur Achillesferse des Netzausbaus werden." Sorge eine umfassende Beteiligung für Akzeptanz, könne dagegen die Umsetzung beschleunigt werden.

Der Plan N 2.0 legt außerdem Wert darauf, dass alle Informationen transparent und leicht verständlich im Internet zur Verfügung stehen, und die Anwohner in Workshops und auf Konferenzen beteiligt werden.  Um Konflikte bei konkreten Bauvorhaben abzumildern, soll ebenfalls ein breites Maßnahmenpaket genutzt werden. Soweit möglich sollen Erdkabel genutzt, verschiedene Leitungen gebündelt und der Schutz des Wohnumfelds im Planungsverfahren gestärkt werden. Auf verbindliche Mindestabstände zu Wohngebäuden konnte man sich allerdings nicht einigen.

„Bürgerleitung“ floppt

Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Maßnahmen im regionalen Verteilnetz: Durch ein intelligentes Management von Stromangebot und -nachfrage, etwa mithilfe so genannter Smart Grids, könne der Ausbaubedarf im weiträumigeren Übertragungsnetz verringert werden. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte als einer der Unterzeichner die Einigung in diesen Punkt. „Der Plan N 2.0 des Forums zeigt, dass die intelligente Verknüpfung von  Stromerzeugung und -verbrauch den Ausbau der Netze in Grenzen halten kann. Das dämpft die Kosten und erhöht die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern“, erklärte BEE-Geschäftsführer Hermann Falk.

Finanziellen Beteiligungsmodellen steht das Papier abwartend positiv gegenüber. Die Verfasser begrüßen zwar deren Entwicklung, empfehlen jedoch zugleich den Bürgern, sich vorab fachkundigen Rat bei Juristen und Anlageberatern zu holen. Das Pilotprojekt einer  „Bürgerleitung“ des Netzbetreibers Tennet brachte jüngst nicht die erhoffte Nachfrage. Von Mitte Juni bis Mitte Oktober konnten sich rund 160.000 Haushalte in den von der geplanten Westküstenleitung betroffenen Landkreisen Nordfriesland und Dithmarschen beteiligen, die Mindesteinlage lag bei 1.000 Euro. Letztlich nutzten nur 142 Haushalte das Angebot, obwohl die Zeichnungsfrist kurzfristig noch um einen Monat verlängert wurde.

Maximal sollten 15 Prozent der Gesamtkosten für die Leitung durch die Bürger finanziert werden, das entspräche etwa 30 Millionen Euro. Insgesamt kamen jedoch lediglich 833.000 Euro zusammen. In der Projektauswertung macht Tennet dafür auch die kritische Berichterstattung in den Medien verantwortlich. Die Verbraucherzentralen in Hamburg und Baden-Württemberg hatten gewarnt, die Rendite von drei Prozent, beziehungsweise fünf Prozent nach Baubeginn, stünden für Kleinanleger in keinem Verhältnis zum Risiko eines Totalverlusts. Von der folgenden Debatte habe sich die Anleihe nach anfänglich positiver Stimmung nicht mehr erholt. Zudem gab in einer Umfrage fast die Hälfte der Befragten an, nicht über die nötigen finanziellen Mittel für die Investition zu verfügen. Weitere 39 Prozent bezeichneten die Anlage als „uninteressant“, immerhin 34 Prozent war sie schlicht „zu kompliziert“.

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