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Atom-Rücklagen

Lücke von 30 Milliarden Euro?

Tim Altegör / Clemens Weiß - energiezukunft.eu, 16.09.15
Den Atomkonzernen fehlen 30 Milliarden Euro an Rückstellungen für die Bewältigung der AKW-Altlasten – zu diesem Ergebnis kam offenbar ein Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums. Als die Börsenkurse der Konzerne einbrechen, dementiert Wirtschaftsminister Gabriel die Zahlen.

Für den Rückbau der deutschen Atomkraftwerke würden die zurückgelegten Mittel noch reichen, die komplette Endlagerung des radioaktiven Materials sei jedoch nicht mehr finanziell abgesichert – das berichtete das Magazin Der Spiegel mit Verweis auf ein bislang unveröffentlichtes Gutachten, das eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellt hat. Die Höhe der Rückstellungen beziffert das Gutachten demnach auf 39 Milliarden Euro, die Lücke in der Finanzierung auf weitere 30 Milliarden Euro.

Die Prüfung ist Teil eines „Stresstests“, dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die verantwortlichen Energiekonzerne unterziehen will. Der nun prognostizierte massive Fehlbetrag ist laut der Meldung darauf zurückzuführen, dass die Konzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW bei den Rückstellungen mit positiven Zinserträgen von bis zu 4,7 Prozent rechneten. Das heißt, dieses Geld muss erst noch verdient werden. Im Gegensatz zu den Konzernen prognostizierten die Prüfer einen negativen Realzins – und weichen deshalb stark von den Einschätzungen der Konzerne ab.

Börsenwerte von RWE und Eon auf dem Tiefstand

Für die Atomkonzerne könnte der Stresstest große finanzielle Schwierigkeiten bedeuten. Bereits seit Monaten kommen sie kaum aus den negativen Schlagzeilen, die Börsenwerte von RWE und Eon lagen schon am Montag auf den tiefsten Ständen seit Anfang der 1990er Jahre. Nach der Meldung zur Milliarden-Lücke brachen sie noch weiter ein: Eon fiel auf unter acht, RWE auf knapp über zehn Euro je Aktie. Vor einem Jahr lagen die Kurse noch bei 14, beziehungsweise über  30 Euro. Der Kurssturz rief auch Wirtschaftsminister Gabriel kurzfristig auf den Plan. Es gebe dafür „überhaupt keinen Anlass“, erklärte er vor Journalisten. „Die aktuellen Zahlenspiele sind keine Grundlage für unser aktuelles politisches Handeln“, so Gabriel, die Szenarien der Gutachter mache sich das Ministerium „ausdrücklich nicht zu Eigen“.

Das Gutachten soll Grundlage für eine Expertenkommission sein, die über den Umgang mit den atomaren Altlasten und den gebildeten Rücklagen beraten soll. Mittlerweile fordern viele Politiker und Experten, die Rückstellungen der Atomkonzerne in einen Fonds zu überführen und so zu sichern. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die Konzerne in weitere finanzielle Schwierigkeiten geraten und damit auch die Gelder für die AKW-Altlasten gefährdet sind. Ein solches Modell hat beispielsweise das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) entwickelt, das auch die Höhe der Rücklagen wiederholt untersucht hat. Das Institut schlägt vor, die Höhe des Fonds inklusive eines Risikozuschlags auf 48 Milliarden Euro anzusetzen. Zudem soll es eine Nachschusspflicht der Konzerne geben, falls zusätzliche Kosten entstehen.

Auch die Eon, RWE und Co propagieren ein Fonds-Modell, wollen jedoch aus der Haftung entlassen werden, nachdem sie ihre Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt haben. Als Eon kürzlich im Zuge der groß angelegten Umstrukturierung des Konzerns seine Atomsparte gemeinsam mit der fossilen Energieerzeugung auslagern wollte, initiierte das Wirtschaftsministerium ein Nachhaftungsgesetz. Es soll sicherstellen, dass sich die Atomkraftbetreiber auf diese Weise nicht der Haftung entziehen können. Mittlerweile ist Eon zurückgerudert: Die Atomkraftwerke sollen nun im Konzern bleiben. Die Sorgen bezeichnete Konzernchef Johannes Teyssen als unbegründet. Die Kernenergie sei „nie ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung der Konzernstrategie und der daraus folgenden Aufspaltung des Unternehmens“ gewesen.

Tim Altegör / Clemens Weiß – energiezukunft.eu

 

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