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Interview

„Ein einfaches Modell mit fairen Bedingungen“

Interview: Tim Altegör, 07.11.14
…fordert Martin Grundmann, Geschäftsführer der Arge Netz, für den geplanten Wechsel zu einem Ausschreibungssystem für erneuerbare Energien. Aber auch wenn Bürger und Mittelstand die gleichen Chancen erhalten sollten wie Großkonzerne, empfiehlt er der Bundesregierung, sich die Türen für eine Umkehr offen zu halten.

neue energie: Die Bundesregierung scheint entschlossen, ab 2017 bei der Erneuerbaren-Förderung auf Ausschreibungen zu setzen. Ist die Frage nach dem „ob“ entschieden, geht es jetzt nur noch um das „wie“?

Martin Grundmann: Ich glaube dass die Bundesregierung fest entschlossen ist, Ausschreibungen umzusetzen – sonst hätte sie es nicht in die EEG-Novelle geschrieben. Es deutet auch alles darauf hin, dass sie die Umsetzung vorbereitet. Inwiefern das ohne weitere Pilotprojekte und Prüfungen die nötige Qualität hat, um ab 2017 in die Ausschreibungen zu gehen, darf insbesondere für Windenergie an Land allerdings bezweifelt werden.

neue energie: Was erwarten Sie sich vom einzigen vorgesehen Pilotprojekt, bei dem im kommenden Jahr Leistung für PV-Freiflächenanlagen ausgeschrieben werden soll?

Martin Grundmann: Ich erwarte von dem Pilotprojekt zu PV-Freiflächenanlagen Erkenntnisse für die PV-Freifläche. Das ist nicht auf Windenergie übertragbar, weil sich die Investitionssummen und –zeiträume sowie die gesamten Rahmenbedingungen vollständig unterscheiden.

neue energie: Gesetzt den Fall, die Regierung lässt sich davon nicht beirren – wie müsste ein Ausschreibungsmodell aussehen, damit es im Sinne der Energiewende funktionieren kann?

Martin Grundmann: Momentan findet dazu ein Ideenwettbewerb statt. Man muss der Bundesregierung wirklich zu Gute halten, dass sie sehr transparent vorgeht und sich damit von der bisherigen Politik positiv abhebt. Wir haben uns an der Konsultation zum Design für das Pilotprojekt für PV-Freiflächenanlagen beteiligt und eine sehr ausführliche Stellungnahme verfasst. Letztlich geht es darum, dass wir ein einfaches Modell mit fairen Bedingungen bekommen. Wir brauchen Chancengleichheit. Alle die in erneuerbare Energien investieren wollen, müssen das auch weiterhin können: größere wie kleinere Unternehmen, Bürgerprojekte, Fonds-orientierte Projekte, und auch ausländische Unternehmen, die sich in Deutschland engagieren wollen.

neue energie: Einige Bürgerenergie-Vertreter fordern beispielsweise ein für Bürgerprojekte reserviertes Segment. Halten Sie das für eine gute Lösung?

Martin Grundmann: Wir halten es für falsch, ein Bürgerenergie-Segment zu reservieren. Der eine Grund dafür ist rechtlicher Natur: Das Modell wäre dann nicht mehr diskriminierungsfrei. Der zweite Grund ist: Wenn man einen Bereich für Bürgerenergie reserviert, egal ob nun zehn, 15 oder 25 Prozent, heißt das auch, dass der größte Teil Nicht-Bürgerenergieprojekte sind – also das Gegenteil dessen, was heute vorherrscht, und das ist natürlich falsch. Bürgerwindparks sind teilweise durchaus 100 Megawatt groß. Das sind keine Kleinstprojekte, die von einzelnen Bürgern umgesetzt werden, sondern handfeste Großinvestitionen, die darauf basieren, dass möglichst viele Bürger aus der Region sich an dem Projekt beteiligen können.

neue energie: Wie könnten gleiche Chancen stattdessen gewahrt werden?

Martin Grundmann: Das Modell muss einfach und nachvollziehbar sein, so dass man keine Juristen beschäftigen muss, um daran teilzunehmen. Und die Ausschreibungsbedingungen müssen fair sein. Aus unserer Sicht sind materielle Teilnahmekriterien prioritär, wie etwa Baugenehmigungen oder Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, um kleine und mittlere Unternehmen zu schützen. Damit würden finanzielle Kriterien ersetzt und trotzdem eine hohe Verbindlichkeit für die Angebote hergestellt. Wir sind nicht vollständig gegen finanzielle Kriterien. Ausschließlich finanzielle Teilnahmebedingungen würden jedoch große Unternehmen zu stark bevorzugen.

neue energie: Gehen Sie bei fairen Bedingungen davon aus, dass die derzeitige Akteursvielfalt erhalten bleiben kann?

Martin Grundmann: Wenn wir faire Bedingungen haben, mit denen nicht bestimmte Unternehmensgruppen diskriminiert werden, dann ist es für Bürgerwindparks nicht mehr eine Frage der Ausschreibung an sich, sondern der Finanzierung. Die Ausschreibungssituation ist für die finanzierenden Banken ein Risiko, das sie einpreisen werden. Die Höhe des eingepreisten Risikos wird ganz wesentlich davon abhängen, wie groß die Chancen eingeschätzt werden, dass Bürgerwindparks und mittelständische Unternehmen bei Ausschreibungen gewinnen können. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass etablierte energiewirtschaftliche Mechanismen zur Anwendung kommen. In diesem Sinne halten wir es für falsch, die pay-as-bid-Methode zu wählen, denn das Einheitspreisverfahren ist heute auf dem Energiemarkt üblich. Das heißt der höchste noch zugelassene Preis setzt den Standard für alle. Wenn beispielsweise 800 Megawatt ausgeschrieben werden, bekommen alle erfolgreichen Teilnehmer den Preis des Angebots, das die 800 Megawatt vollmacht. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich mit Preisen unterhalb der Wirtschaftlichkeit gegenseitig unterbietet.

neue energie: Wie ließe sich die Finanzierung erleichtern?

Martin Grundmann: Im Gesetz wird die Möglichkeit erwogen, dass erfolglose Bieter die Kosten für die Beteiligung an einer Ausschreibung zumindest teilweise zurückerstattet bekommen. Das würde auf jeden Fall zu einer Entlastung auf der Risikoseite führen. Man darf ja nicht vergessen: Bis man einen Windpark so weit entwickelt hat, dass man sich an einer Ausschreibung beteiligen kann, haben die Investoren bereits Geld ausgegeben. Das ist ein unternehmerisches Unterfangen mit Risiken und Chancen. Das Risiko erhöht der Gesetzgeber jetzt um eine Stufe, indem er Ausschreibungen einführt. Bei einer Rückerstattung der Bewerbungskosten könnten einmal abgelehnte Projekte aber an den nächsten Ausschreibungsrunden wiederum teilnehmen.

neue energie: Das würde auch dafür sprechen, relativ häufig auszuschreiben…

Martin Grundmann: Wir glauben, dass wir mindestens vier Runden im Jahr brauchen. Das ist aber auch eine Frage des administrativen Aufwands und der hinterlegten IT für die Ausschreibungen.

neue energie: Forscher des Instituts für Zukunftsenergiesysteme Izes warnen bei Ausschreibungen vor Zielkonflikten: Niedrigere Kosten, die festgeschriebenen Ausbauziele und ein Erhalt der Akteursvielfalt, über die wir schon gesprochen haben, ließen sich damit nicht ohne weiteres zugleich gewährleisten. Sind diese Konflikte überhaupt vermeidbar?

Martin Grundmann: Die Bundesregierung hat mit dem EEG 2014 einen „Knappheitskorridor“ vorgegeben, der zunächst für PV und ab 2017 auch für weitere erneuerbare Energien über Ausschreibungen bedient werden soll. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats empfiehlt, den Ausbau der Erneuerbaren weltweit zu beschleunigen. Üblicherweise erzeugt eine hohe Nachfrage hohe Preise, die dann im Rahmen von Industrialisierungsprozessen durch Standardisierung und Mengeneffekte gedämpft werden. Noch geht es um überschaubare Anteile des Bruttosozialprodukts. Wenn wir jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien durch zusätzliche kaufmännische Risiken ausbremsen, wird es schwieriger, den Klimawandel zurückzudrehen. Es kann sein, dass ein System mit staatlich festgesetzten Preisen mit Blick auf den Klimawandel effizienter und damit kostengünstiger ist, als ein Ausschreibungssystem.

neue energie: Was folgt daraus?

Martin Grundmann: Es sollten Rückfalloptionen offen gehalten werden, die die EU-Kommission in ihren Richtlinien auch festgelegt hat. Dort heißt es: Beihilfen werden im Rahmen einer Ausschreibung anhand eindeutiger, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien gewährt, es sei denn, die Mitgliedstaaten weisen nach, a) dass nur ein Vorhaben oder Standort oder nur eine sehr begrenzte Zahl von Vorhaben oder Standorten beihilfefähig wäre, oder b) dass eine Ausschreibung zu einem höheren Förderniveau führen würde (Verzicht auf Ausschreibung zum Beispiel zur Vermeidung strategischen Bietverhaltens), oder c) dass eine Ausschreibung dazu führen würde, dass nur wenige Vorhaben verwirklicht werden (Verzicht auf Ausschreibung zur Vermeidung der Unterbietung). Kleinere Projekte können nach der sogenannten de-minimis-Regelung zudem von Ausschreibungen ausgenommen werden, ohne die EU-Richtlinie zu verletzen. Diese Türen sollte sich die Bundesregierung offen halten. Dasselbe gilt für andere europäische Länder wie beispielsweise Polen, die jetzt in Richtung Ausschreibungen marschieren.

neue energie: Befürworter preisen Ausschreibungen als Schritt zu mehr Integration der Erneuerbaren in den Strommarkt. Würde nicht ein neues Modell zum Direktvertrieb von Ökostrom diesem Ziel mehr dienen?

Martin Grundmann: Ich habe bei der Expertenanhörung im Bundestag gesagt, dass wir eine maximale Marktöffnung brauchen und den Gesetzgeber dafür kritisiert, dass er die anteilige Direktvermarktung von Anlagen nach dem Grünstromprivileg abgeschafft hat. Das ist behoben durch die Verordnungsermächtigung für ein neues Grünstrom-Vermarktungsmodell. Es geht daher darum, alle Märkte für erneuerbare Energien zu öffnen. Nichts anderes sagen auch die Leitstudien des Wirtschaftsministeriums. Ausschreibungen ohne eine Öffnung der Märkte, das geht nicht.

 

Zur Person: Martin Grundmann ist Geschäftsführer der Arge Netz, einem Zusammenschluss von mehr als 260 Gesellschaftern aus dem Bereich der erneuerbaren Energien mit Sitz in Schleswig-Holstein. Zudem ist Grundmann Mitglied im Bundesvorstand des Bundesverbands WindEnergie (BWE). 

 

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